Righteousness: Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit
Viele Worte aus dem Englischen können auf verschiedene Arten übersetzt werden. Der Kontext bestimmt oft, welche Entsprechung im Deutschen dem englischen Original entspricht.
Wenn man sich bei der Übersetzung aber zu sehr vom Kontext und dem Verständnis der eigenen Muttersprache leiten lässt (“so hätte ich das im Deutschen geschrieben”), läuft man Gefahr die Intention der englischen Autoren zu übersehen oder sogar zu ignorieren.
Bei der Übersetzung der King James Bible von 1611 kommt uns aber ein besonderer Umstand bei der Übersetzung ins Deutsche zuhilfe: Der King James Bible liegt bereits eine umfassende Konkordanz zugrunde, die letztendlich auf die hebräischen, aramäischen und griechischen Grundtexte abstützt.
Das vereinfacht die Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche ganz erheblich, weil praktisch eine Deutung bzw. Erklärung für die Verwendung eines bestimmten englischen Begriffs aus den übersetzten Quellen abgeleitet werden kann. Das reduziert die ansonsten sehr vielen möglichen Varianten auf wenige, aus denen dann leicht die richtige herausgefudnen werden kann.
Aber es gibt einige Begriffe, die so stark in die Begriffswelt der deutschen Bibelleser eingegraben sind, dass eine andere Lesart im ersten Moment schnell falsch erscheint, weil sie ungewohnt klingt. Aber man darf dort nicht halt machen, sondern muss nach dem tatsächlich richtigen Begriff suchen und diese Erkenntnis absichern und dokumentieren. Denn diese Begriffe sind genau die Kandidaten, an denen sich Kritik festmachen wird und die daher abgesicherter und fundierter Verteidigung bedürfen.
“Righteouness” und sein Adjektiv “righteous”. Im Wörterbuch liest es sich leicht. Es gibt zwei Alternativen mit “Gerechtigkeit” und “Rechtschaffenheit”, wobei einige Wörterbücher “Rechtschaffenheit” als “veraltend” markieren. Das ist insofern ungewöhnlich, da sich das Wort durchaus regelmäßig im Alltagsbegrbauch befindet (siehe dazu auch Rechtschaffenheit: Bedeutung, Definition, Beispiele - Wortbedeutung.info).
Aktualität ist aber nicht unbedingt das ausschlaggebende Kriterium, wenn man die Wahl zwsichen zwei Alternativen hat. “Gerechtigkeit” und “Rechtschaffenheit” haben eine jeweils unterschiedliche Bedeutung und können nicht einfach gegeneinander ausgetauscht werden. So findet z.B. http://openthesaurus.org kein Synonym zu Rechtschaffenheit und auch bei einer Suche nach “Gerechtigkeit” taucht “Rechtschaffenheit” dort nicht als Synonym auf.
Was ist dann aber die richtige Übersetzung von Righteousness und seinen Formen?
Schauen wir uns das im Kontext verschiedener Bibelstellen an:
And he beleeued in the LORD; and hee counted it to him for righteousnesse.
In der direkten Übesetzung aus dem Englischen:
Und er *glaubte an den HERRN; und der rechnete es ihm als Rechtschaffenheit an.
Könnte man hier stattdessen “Gerechtigkeit” verwenden, ohne den Sinn maßgeblich zu verändern? Gott erwartet keine Gerechtigkeit von Abram und würde etwas, das er gegenüber Gott tut, ihm sicher nicht als “gerecht” oder “Gerechtigkeit” anrechnen. Aber als “rechtschaffen” und damit als anständig und ehrlich, schon eher.
Im Neuen Testatment findet sich “Righteousness” zuerst in Matthäus 3:15:
And Iesus answering, said vnto him, Suffer it to be so now: for thus it becommeth vs to fulfill all righteousnesse. Then he suffered him.
Die bisherige Übersetzung dazu lautet hier:
Und Jesus antworte ihm und sagte “Erlaube es, jetzt so zu sein: Denn so werden wir alle Rechtschaffenheit erfüllen.” Da erlaubte er es ihm.
In Strong's wird “Rechtschaffenheit” als Zustand beschrieben, in dem jemand “für Gott akzeptabel” ist.
Im Zusammenhang mit der Taufe von Jesus durch John und den Informationen aus Strong’s geht es bei der “Erfüllung aller Rechtschaffenheit” also darum, Anforderungen oder Wünsche Gottes zu erfüllen.
Kann man das auf den Begriff “Gerechtigkeit” analog anwenden, es ähnlich verstehen? Ich denke nein.
Die meisten deutschen Bibeln übersetzen einfach nur “Gerechtigkeit”, was letztendlich zur Prägung dieses Begriffs als Übersetzung für δικαιοσύνη geführt hat. Ich schließe mich aber den Schlussfolgerungen aus Strong an, der in G1343 schreibt:
“δικαιοσύνη, -ης, ἡ, (δίκαιος); most frequently in the Sept. for צֶדֶק and צְדָקָה, rarely for חֶסֶד; the virtue or quality or state of one who is δίκαιος;
in the broad sense,
the state of him who is such as he ought to be, righteousness (German Rechtbeschaffenheit); the condition acceptable to God (German Gottwohlgefälligkeit);“
Ich will die Übersetzungstradition des Griechischen hier nicht ändern (die schnell mal zu “Gerechtigkeit” tendiert) oder infrage stellen, aber wenn es um die Übermittlung dessen geht, was die Übersetzer der King James Bible als ihr Ergebnis definiert haben, ist “Rechtschaffenheit” nicht nur eine der Möglichkeiten, sondern genau das, was zum Ausdruck gebracht werden sollte.
Dies ist bisher kein abschließendes Urteil, sondern der aktuelle Stand der Überlegungen. Weitere Argumente können sicherlich zu einer Neubewertung führen.
Bis dahin wurde die bestehende Übersetzungsarbeit bezüglich “righteous” aktualisiert und vereinheitlicht. Im schlimmsten Fall (für den Fall, dass sich diese Entscheidung als falsch oder nicht haltbar herausstellt) kann man diese Version dann zurecht als die “rechtschaffene King James Übersetzung” bezeichnen.
Ich finde die drei Beispiel in dict.cc für righteous sehr gut:
In Johannes 17:25 Haben wir “righteous Father” vorliegen und in diesem Fall kann selbstverständlich nicht die Gottgefälligkeit Gottes gemeint sein. Hier ist es der gerechte Gott, andernorts auch Gott der Gerechte.
Es ergibt sich in Bezug auf die KJV also bisher eine einfache Regel, die man ableiten kann:
Menschen sind rechtsschaffen (oder eben gerade nicht) und Gott ist gerecht.
Über Gerechtigkeit
Gerecht zu sein und Gerechtigkeit hängen direkt mit Urteil und Verurteilung zusammen. Ein Urteil kann gerecht sein. Wenn ein Richter urteilt, kann das Urteil gerecht sein und wenn er das immer tut, ist er ein gerechter Richter. Aber macht ihn das zu einem gerechten Menschen? Das wissen wir nicht. Er kann zu seiner Familie oder anderen Menschen äußerst ungerecht sein; sie zu Unrecht verurteilen, nur eben außerhalb seines Berufs.
Und auch wir Nicht-Richter urteilen und beurteilen den ganzen Tag und viel zu oft eben nicht gerecht. Wir sind nicht vollkommen und daher können wir nicht gerecht sein. Passenderweise ist das Gegenteil des Wortes “righteous” im Englischen “unrighteous” und wird aber nicht mit “ungerecht”, sondern mit “unredlich”, “sündig” und “verworfen” übersetzt. Ungerecht sind wir alle hin und wieder, aber wir Christen bereuen solche Vorfälle aus tiefstem Herzen und Gott vergibt uns. Wir sind dann immer noch nicht “gerecht” und können auch nie wieder werden; so wie ein Dieb nach seinem ersten Diebstahl immer ein Dieb bleiben wird, auch wenn er nicht weiter stielt. Aber im Urteil Gottes wird es uns vergeben, wenn wir es wahrhaftig bereuen.
Also kann ein Mensch niemals “gerecht” sein? Das wäre die konsequente Schlussfolgerung. Eben sowenig, wie wir ohne Sünde sein können. Entscheidend ist für uns Menschen, ob wir Gottes Rechtspruch überstehen und dies wird nur dann der Fall sein, wenn wir unsere Sünden bereuen. Und falsch über jemanden zu urteilen oder ihn falsch zu beurteilen ist eindeutig ein Verstoß gegen das Gebot, das Jesus uns als das zweitwichtigste genannt hat: “Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst.”
Wie könnten wir jemanden zu Unrecht verurteilen, den wir lieben? Es passiert uns und wir bereuen es (das bedeutet wir kehren von diesem falschen Weg um; manche sagen auch Buße tun dazu, was bedeutet umzukehren; also auch es nicht wieder tun zu wollen - in der KJV “to repent”). Und wenn diese Reue ernst gemeint ist, wird Gott uns diese Sünde vergeben.
Addendum: Matthäus 5:6
Auch hier ist nicht “die Gerechtigkeit” als abstraktes Konstrukt gemeint. Es sind die gemeint, die es nach Gottes Wohlgefallen dürstet und genau nicht diejenigen, die es “ledigich” auf irdiswche Gerechtigkeit abgesehen haben.
Aus der Diskussion übernommen:
In Genesis 15:6 heißt es aus dem Hebräischen:
6 Und er *glaubte an den HERRN; und der rechnete es ihm als Rechtschaffenheit an.
Im Hebräischen steht da “צְדָקָה” (ṣᵊḏāqâ). Das Strong’s dazu ist H6663:
Im Bezug auf ein Subjekt (wie Abraham ja eines ist), ist es tatsächlich “rectitude”: Rechtschaffenheit.
Römer 3:20 - Ist Gott gerecht oder ist er rechtschaffen?
Bisher war ich davon ausgegangen, das zumindest Gott gerecht ist und nicht “rechtschaffen”. Und selbstverständlich ist uns “Gott der Gerechte” extrem geläufig. Gott ist doch immer gerecht - oder doch nicht?
Gerecht wen gegenüber ist Gott tatsächlich? Wenn er uns gegenüber “gerecht” ist, hat er dann nach unserem Maßstab gerecht übe runs geurteilt oder in seinem?
Wenn er aber nach seinem Maßstab urteilt, handelt er rechtschaffen, also mit sich selbst im Einklang (the condition acceptable to God). “The righteousness of God” ist also nicht seine objektive Gerechtigkeit uns Menschen gegenüber oder gar sich selbst (was ja auch keinen Sinn ergäbe), sondern der mit sich selbst im Einklang befindliche Gott, was seinen Charakter erheblich besser beschreibt und trifft als nur “gerecht” zu sein.
Ich werde also in alle Fällen, “righteous” mit “rechtschaffen” und “righteousness” mit “Rechtschaffenheit” übersetzen.
rk